Die Ostsee
Durch die Verbindung zur Nordsee ist die Ostsee ein Binnenmeer des Atlantischen Ozeans. Aufgrund der hohen Süßwassereinträge über zahlreiche Flüsse (zum Beispiel Oder, Weichsel, Newa) und des geringen Salzwasserzustroms aus der Nordsee über die schmale Verbindung nördlich von Dänemark handelt es sich bei der Ostsee um ein Brackwassermeer mit einer Flächenausdehnung von 412 560 km². Damit ist es das größte Brackwassermeer der Erde! Mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von 52 Meter und einer größten Wassertiefe von 459 Meter im Landsort-Tief südlich von Stockholm handelt es sich um ein flaches Binnenmeer. Heute wird die Ostsee von den neun Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen und Polen umgeben. Die durch geologische Strukturen und die Gletscherdynamik der letzten Eiszeit (Weichseleiszeit bis vor circa 11.000 Jahren) entstandenen Becken- und Schwellenstrukturen machen eine Einteilung der Ostsee in verschiedene Becken möglich.
Die geomorphologischen Entstehungsgeschichte der Ostsee
Die Entstehung der Ostsee begann mit dem Abschmelzen des Inlandseises Skandinaviens vor ungefähr 15.000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit (Abbildung A). Durch das Schmelzwasser bildete sich vor circa 12.000 Jahren vor den Eismassen der Baltische Eisstausee (Abbildung B). Diese Phase wurde beendet durch das Brechen einer Eisbarriere in Mittelschweden (Billingen), wodurch ein Zugang zum Nordatlantik entstand. Viel Seewasser floss ab (Absinken des Wasserspiegels um circa 25 m) und der rasch ansteigende globale Meeresspiegel sorgte für erste Salzwassereinströme. Damit war das Yoldia-Meer (Abbildung C) entstanden, die erste brackige Phase, welche für ungefähr 300 Jahre andauerte. Anschließend kam es aufgrund des Abschmelzens der Eis- und Schneemassen über Skandinavien zu einer Hebung des Festlandes um bis zu 9 mm im Jahr! Dadruch wurde die Verbindung vor ungefähr 9500 Jahren unterbrochen und der Ancylus-See entstand (Abbildung D). Durch den rasch ansteigenden globalen Meeresspiegel kam es ungefähr vor 8000 Jahren zu einem erneuten Salzwasserzustrom und zu einem relativ schnellen Anstieg des Ostseewasserspiegels um 20 Meter innerhalb von wenigen Jahrhunderten. Dies sorgte für eine Überflutung der Landschaft zwischen Dänemark und Deutschland aus Wäldern, Flüssen und Binnenseen, welche in der Steinzeit besiedelt war. Erneut bildete sich Brackwasser und das nach der salzwasseranzeigenden Schnecke Littorina littorea benannte Littorinameer entstand (Abbildung E). Bis vor circa 6000 Jahren verlangsamte sich der Meeresspiegelanstieg auf ungefähr 0,3 cm im Jahrhundert. Der Wasserspiegel des Littorinameeres lag zu diesem Zeitpunkt circa einen Meter unter dem heutigen Niveau und erfuhr in der Zwischenzeit keine weiteren großen Schwankungen. Die Küstenform wurde folglich von wind- und strömungsgesteuerten Abtragungs-, Transport- und Anlandungsprozessen gebildet. Der Wechsel von unterschiedlichem Salzgehalt in der heutigen Ostseeregion kann durch fossile Funde bestätigt werden, da eine wechselnde Dominanz von salzwasser- beziehungsweise süßwasseranzeigenden Organismen nachgewiesen wurde.
Klima des Ostseeraumes
Im südlichen Teil der Ostsee herrscht ein gemäßigtes Klima, in der östlichen Ostsee ein Kontinentalklima. Das bedeutet, es wird von Südwesten nach Nordosten hin kühler. So kann im Südwesten eine Durchschnittstemperatur von 7-8° C gemessen werden, im Nordosten jedoch nur 3-5 °C. Im gemäßigten Südwesten gibt es zwischen den milden Sommern und kühlen Wintern nur relativ geringe Temperaturunterschiede. Typisch für ein kontinentales Klima sind die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten ausgeprägter als in der südwestlichen Ostsee. Der Sommer ist heißer und kürzer, der Winter kälter und länger. Der Dauerfrost im Winter mit deutlichen zweistelligen Minusgraden sorgt für eine Eisbedeckung im Norden und Osten. Im finnischen Oulu kommt es sogar zu 6 vereisten Monaten im Jahr!
An der Ostsee sind die Niederschläge über das ganze Jahr verteilt. Im Sommer und Herbst ist die Niederschlagswahrscheinlichkeit höher als im Winter und Frühjahr. Die jährlichen Niederschläge betragen im Ostseeraum zwischen 500 und 800 mm. Die Menge nimmt sukzessive (schrittweise) von Südwesten nach Nordosten hin ab.
Fauna und Flora der Ostsee
Die Ostsee wird auch häufig als das Meer der Einwanderer bezeichnet.
Denn geologisch betrachtet ist sie ein sehr junges Meer, weshalb sich kaum eigenen Arten hier entwicklen konnten. Tiere und Pflanzen wanderten im Laufe der Entwicklungsgeschichte in die Ostsee bzw. ihrer Vorgänger (Baltischer Eisstausee, Yoilida-Meer, Ancyluy-See, Littorina-Meer) ein. Anspruchsvolle Lebensbedingunen wie der schwankende Salzgehalt, gelegentlicher Sauerstoffmangel, viele Nährstoffe und ein schwankender pH-Wert kennzeichnen diesen Lebensraum.
Aus der Nordsee wanderten marine Arten insbesondere in Zeiten höheren Salzgehaltes zahlreich ein. Je nach Toleranz gegenüber geringem Salzgehalt konnten sie sich Richtung Nordosten ausbreiten. So konnten zum Beispiel die Gemeine Strandschnecke (Littorina litorea), der Blasentang (Fucus vesiculosus) oder die Meerassel (Idotea baltica) ihren Lebensraum im Brackwasser finden.
Aus den Flüssen gelangten süßwasserliebende Tiere und Pflanzen in die Ostsee und besiedelten vor allem die nordöstlichen Regionen mit geringem Salzgehalt. Je nach Salztoleranz konnten aber auch diese Arten wandern und breiteten sich Richtung Südwesten aus. Beispiele für süßwasserliebende Arten sind der Süßwasserschwamm (Ephydatia fluviatilis) oder der Dreistachlige Stichling (Gasterosteus aculeatus).
Die in der Ostsee lebenden Süßwasser- und Salzwasserarten erzeugen ein einzigartiges Nahrungsnetz, indem die beiden Gruppen coexistieren und interagieren.
Bedeutung des Ostseraumes für Wirtschaft und Verkehr
Mehr als 84 Millionen Menschen leben im Einzugsgebiet der Ostsee (HELCOM). Nach der Auflösung der Sowjetunion und der Öffnung des östlichen Ostseeraumes konnte sich ein großes wirtschaftliches Potenzial entwickeln, die alten Strukturen sind jedoch weiterhin sichtbar. So dominieren im nördlichen und westlichen Teil der Ostsee starke Volkswirtschaften mit hohem BIP/Kopf (z.B. Deutschland und Schweden) und mit einem Fokus auf dem Dienstleistungssektor. Im Osten hingegen überwiegt der Landwirtschaftssektor. Jedoch kann hier häufig ein überdurchschnittlich hohes BIP/Kopf-Wachstum festgestellt werden. Das wirtschaftliche Potenzial beruht auf den guten Standortfaktoren der gesamten Region. So bietet der Ostseeraum eine gute Anbindung an den Welthandel und eine hohe Mobilität durch den maritimen Verkehrsweg.
Im gesamten Ostseeraum hat der Tourismus neben der Werftindustrie und dem Handel einen hohen Stellenwert für die Wirtschaft. Aufgrund der starken Saisonalität sind besonders die Monate Juli und August aus touristischer Sicht von großer Bedeutung. Neben dem Badeurlaub ziehen Wellness-, fahrrad- und auch Kulturtourismus sowie die stark boomende Kreuzfahrtindustrie jedes Jahr Millionen Menschen an die Ostseeküste.
Du willst mehr erfahren?
Dann kannst du dich hier informieren:
Robert Spielhagen (2012): Die Entstehung der Ostsee
Mark Lenz (2012): Die Ökologie der Ostsee